Solidarisch Forschen ?!
Was ist Solidarität und was hat das mit Forschung zu tun? Wie sieht eine solidarische Forschung aus und was kann sie leisten? Ein Diskussionsimpuls mit Aspekten zur Forschungsethik, zur Beziehung von Wissenschaft und Verantwortung sowie zur konkreten Umsetzung.
02.10.2022

Herrschaftskritik und Solidarität vs. Allgemeinplätze einer neoliberalisierten Wissenschaft?
Was habe ich als Forscher:in mit Macht und Herrschaft zu tun?
Sie alle eint, diese Verhältnisse zu benennen, zu analysieren und gleichzeitig die eigene Forschungsarbeit, bzw. die Forscher:innen selbst in diese Perspektive zu integrieren. Dabei werden verschiedene Strategien gewählt: Als Analyse, Vorwort oder begleitenden Kommentar, bei der Verwendung oder Diskussion von Begriffen und Konzepten werden die eigenen Verstrickungen und Position(ierung)en im Herrschaftsgeflecht offengelegt oder Konsequenzen dieses analytischen Griffs und hierdurch errungenen Wissens für die Praxis diskutiert.1
Aber was steht am Anfang dieser ‚Übungen‘? Oder generell: Was steht ‚am Anfang‘ herrschaftskritischer Forschung? (Selbst-)Kritischer frage ich mich aber auch: Wie ordne ich diese Ausführungen vor dem Hintergrund von Wettbewerb, Karriereplanungen, Selbstvermarktungen, Themenkonjunkturen und -trends in der Wissenschaft ein? Wenn ich diese Fragen zu Allgemeinplätzen und einer neoliberalisierten Wissenschaft (zunächst) wegwische, stelle ich nicht nur fest, dass durch eine analytische Einbindung des Wissen schaffenden Subjekts die Kriterien ‚guten‘ wissenschaftlichen Arbeitens womöglich konsequenter umgesetzt werden, sondern nehme ich als zentrales Motiv Solidarität an. Die Bedeutung dieses höchst normativen Begriffs scheint für Aktivist:innen offensichtlich und beispielsweise auch für Sozialarbeiter:innen handlungsleitend.2 Für das Praxisfeld der Geisteswissenschaft und Sozialforschung3 möchte ich die wichtigen Ausführungen Paul Mecherils in „Postkommunitäre Solidarität als Motiv kritischer (Migrations-)Forschung“ (2014) als Impuls aufgreifen und das Konzept der Solidarität noch einmal stärker analytisch und affirmativ in den Fokus rücken.
Denn eine derartige explizite Bezugnahme stellt die Einbindung der Forscher:in nicht nur in gesellschaftliche Dynamiken, sondern auch das eigene ForschungsHandeln und -Denken an den Anfang des wissenschaftlichen Tuns, hebt die Beziehung(sarbeit) zwischen den verschiedenen von der Forschung betroffenen Akteur:innen hervor und verweist damit nicht zuletzt auf die gesellschaftliche und politische Verantwortung von Wissenschaft und Forschung.
Solidarität - Was, wer, wie, warum?
Historisch...
Während Aden et al. (2021) in ‚Forschen als solidarische Praxis?‘ mit Bezügen zur Frauen- und Geschlechterforschung sowie zur Flucht*Migrationsforschung eine solidarische Forschungspraxis in der Sozialen Arbeit diskutieren, nehme ich eine allgemeinere Perspektive ein. Im Anschluss an eine herrschaftskritische, intersektionale und – in Anlehnung an den Sammelband ‚InterdepenDenken‘ des AK ForschungsHandeln (2015) – interdependente Annäherung an den Begriff der Solidarität, frage ich, warum eine solidarische Forschungspraxis überhaupt gebraucht wird, was sie leisten und wie sie aussehen kann. Dabei stelle ich zum einen Bezüge zu einem konkreten methodischen Ansatz, der partizipativen oder partizipatorischen, aktivistischen Forschung, her und ordne mein Kommentar zum anderen in die Aushandlungen um forschungsethische und allgemeine Prinzipien der Wissenschaft sowie ihre (gesellschaftliche, politische, moralische) Verantwortung ein.
Solidarität ist ein allgegenwärtiger und gleichzeitig unbestimmter Begriff; er wird entsprechend umkämpft,4 normativ aufgeladen oder durch Beliebigkeit entladen. Um sich seiner Bedeutung(en) zu nähern, unter-scheide ich in Anlehnung etwa an Sebastian Garbe (2022) oder Jared Holley (2021) zwischen
Konzeptionell...
… gab es seither viele Versuche, Allgemein- oder Minimaldefinitionen zu formulieren, die je nach Fokus und Fragestellung sehr unterschiedlich ausfallen. Während etwa Serhat Karakayalı (2013: 21) Solidarität durchweg als „ein prinzipiell – wenn auch nicht immer faktisch – wechselseitiges füreinander Eintreten von Individuen und Kollektiven, in materieller, politischer oder sozialer Hinsicht, mit dem auch der Vereinzelung oder Atomisierung der Individuen in der Moderne entgegengewirkt werden soll“ versteht, definiert Avery Kolers (2016: 5) sie als „political action on other’s terms“. Kurt Bayertz (1998: 15–48) arbeitet ferner vier Bedeutungszusammenhänge von Solidarität heraus und unterscheidet so zwischen (a) einer moralischen und universellen Idee, (b) den Bindungen zwischen Mitgliedern einer Gesellschaft, Bürger:innen eines Staates, Angehörigen einer Nation, (c) ihrer Spezialform, den bürgerlichen, bzw. staatlichen Verpflichtungen und der Fürsorge im Sinne des nationalen Wohlfahrtsstaates und (d) der sogenannten „Kampf-Solidarität“ mit jenen, die für ihre Rechte eintreten.
Den Definitions- und Abgrenzungsversuchen ist gemein, dass sie Solidarität als wechselseitigen Zusammenhang, Bindung, Beziehung zwischen Individuen und Kollektiven mit einem spezifischen normativen Gehalt begreifen.10 Gestritten wird zum einen, was diese Beziehung an sich charakterisiert: Ist Solidarität eine Norm, eine (soziale) Struktur, ein Handlungstypus (in Anlehnung an Karakayalı (2021: 159): „Solidarität ist keine Norm, keine Struktur und kein Handlungstypus.“), ein Motiv (Mecheril 2014)? Oder eine Beziehungsweise? Zum anderen wird sodann nach ihren Merkmalen und Bedingungen gefragt: Wer ist, bzw. handelt solidarisch mit wem, auf welcher Grundlage, mit welchen Mitteln und für welches Ziel? Ist sie universal oder partikular, freiwillig oder verbindlich, einseitig oder wechselseitig, beruht sie auf geteilten Erfahrungen, Identitäten, Überzeugungen oder Handlungen? 5, 11, 21
Solidarität kann dann einen Versuch beschreiben,
– wechselseitige Beziehungen „zwischen Personen, Gruppen, Kämpfen etc.“ durch und über Ungleichheit(en) hinweg beständig herzustellen, in und durch diese
– in einem emanzipatorischen Sinne gehandelt wird – für ‚weniger Ungleichheit und Unterdrückung‘, für ‚ein gutes Leben für alle‘, gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse,
– und Unterschiede und Gemeinsamkeiten in jenen Verhältnissen, in den Solidaritätsbeziehungen selbst und in Bezug auf ihr Wirken hinterfragt werden.
Die oben angekündigten Kriterien...
…, die im Anschluss an diese Fragen und das Ausblenden der (globalen) Ungleichheitsverhältnisse formuliert wurden, setzen sich insbesondere mit den Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen von Solidarität in asymmetrischen Beziehungen auseinander.
Während Solidarität also zunächst als Beziehung unter Gleichen, in Gleichheit oder in Gemeinschaft verstanden wurde, insofern sie an die Ähnlichkeit der sozialen Bedingungen und Positionen der involvierten Subjekte anknüpfte,14, 6, 4, 20 richten kritische Ansätze15 ihren Blick auf eine Solidarität in, durch und über „Differenzen“5, 13 hinweg.
Es waren insbesondere Schwarze Feministinnen wie bell hooks, Angela Davis und Audre Lorde ebenso wie dekoloniale feministische Theoretikerinnen aus dem sogenannten ‚globalen Süden‘16 wie Gayatri Chakravorty Spivak und Chandra Talpade Mohanty, die seit den 1980er Jahren kritisierten, dass der offenkundige Teil der Frauenbewegung mit ihrem Selbstverständnis einer universalen, solidarischen Sisterhood, Ungleichheitsverhältnisse übergeht und dadurch insbesondere rassistische und heterosexistische Ausschlüsse verfestigt und hervorbringt.17, 18 Es stellte, bzw. stellt sich die Frage, wie eine Solidarität in Differenzen gedacht und praktiziert werden kann.
Beispielhaft definiert Mohanty (2003a) Solidarität:
in terms of mutuality, accountability, and the recognition of common interests as the basis for relationships among diverse communities. Rather than assuming an enforced commonality of oppression, the practice of solidarity foregrounds communities of people who have chosen to work and fight together. Diversity and difference are central values here – to be acknowledged and respected, not erased in the building of alliances. […] [S]olidarity is always an achievement, the result of active struggle to construct the universal on the basis of particulars/differences.

in terms of mutuality, accountability, and the recognition of common interests as the basis for relationships among diverse communities. Rather than assuming an enforced commonality of oppression, the practice of solidarity foregrounds communities of people who have chosen to work and fight together. Diversity and difference are central values here – to be acknowledged and respected, not erased in the building of alliances. […] [S]olidarity is always an achievement, the result of active struggle to construct the universal on the basis of particulars/differences.

Solidarisch Forschen
Warum und inwiefern kann uns die Übertragung eines solchen Begriffs auf das Praxisfeld der Forschung nutzen? Bzw. affirmativer: Warum und inwiefern kann uns ein solcher Begriff von Solidarität als Bedingung von Forschung nutzen?
Das Wissen schaffende Subjekt, insbesondere dessen Erkenntnisinteresse, und das geschaffene Wissen stehen nicht lose und ‚neutral‘ in der Welt, sondern sind im Gegenteil in globale gesellschaftliche Strukturen, Dynamiken und Wirkungsweisen eingebunden. Wie Paul Mecheril in Fortführung der Auseinandersetzungen mit der „Krise der Repräsentation“ in der Wissenschaft schreibt, „[hat] [d]ie Produktion von Erkenntnis […] also ihren Ort, sie ist gebunden“6. Eine solidarische Forschungspraxis erkennt diese Verstrickungen und kann sie im Sinne der Wissenschaftlichkeit präzise und zuverlässig nachvollziehbar machen, um nicht zuletzt den Erkenntnis-prozess und das geschaffene Wissen selbst analytisch zu verdichten.
Allerdings kann und darf solidarisch Forschen nicht mit der Annahme verwechselt werden, mit den eigenen Forschungsergebnissen einen ‚Wandel‘ oder ‚emanzipatorischere Verhältnisse‘ herbeizuführen. Wie Abdelkader et al. (2021) problematisieren, kann ich weder kontrollieren, wen die veröffentlichten Forschungsergebnisse mit welchen Folgen informieren und inwiefern sie gesellschaftliche Strukturen und Dynamiken womöglich beeinflussen, noch kann und darf ich Erkenntnisprozesse steuern, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen oder zu vermeiden. Dagegen rückt eine solidarische Forschungspraxis also nicht den Ausgang der Forschung in den Fokus, sondern vielmehr ihren Anfang, Prozess und ihre Beziehungsweisen sowie die grundlegende und auch forschungsethische Verantwortlichkeit für das eigene Tun. Setze ich mich und mein eigenes Forschungshandeln in Beziehung zu Anderen, stellen sich mir unmittelbar Fragen der gegenseitigen und generellen gesellschaftlichen Verantwortung. Diese Aushandlungen mit den „moralischen Voraussetzungen und Konsequenzen“6 fließen wiederum in meine Wahl eines Forschungsthemas sowie einer erkenntnisleitenden Fragestellung ein und bewegen die Bedingungen meiner Forschungsbeziehungen. Mecheril schreibt hierzu weiter:
Im Rahmen des solidaritätswissenschaftlichen Vorgehens dient Solidarität also nicht in dem Sinne als regulatives Prinzip der Forschung, dass die Solidarität der Wissenschaftler_innen mit den konkreten Akteur_innen der sozialen Felder, die untersucht werden, den Forschungsprozess anlei-tet und strukturiert. Die Eigenständigkeit des wissenschaftlichen Tuns wird über das solidaritätswissenschaftliche Motiv nicht preisgegeben, vielmehr mobilisiert das Motiv Fragen, Untersuchungen und Studien, die auf Erkenntnisgewinnung gerichtet sind und an der Art gewonnener Erkenntnis beurteilt werden.
Merchil (2014:79)

Eine solidarische Forschungspraxis beginnt mit der analytisch reflexiven Einbindung von Wissen und ihrer Produktion in gesellschaftliche Verhältnisse – ohne sich in Selbstbezogenheit zu verlieren – und verweist auf die Verantwortung von Forschung für diese. Damit kann sie für die Wirkungsweisen von Wissen und Wissenschaft und für die Notwendigkeit der oben beschriebenen Praktiken herrschaftskritischer Forschung und ihrer Analyse bestimmter Untersuchungsgegenstände sensibilisieren.
Als moralisch orientiertes Wissenschaftsverständnis sowie -praxis greift eine solidarische Forschung insofern unmittelbar die forschungsethischen Grundsätze und wissenschaftlichen Standards hinsichtlich einer konkreten und generellen Verantwortung von Forschung, der Gebundenheit von Wissen und Wissenschaft sowie der Vermeidung bzw. Reduzierung individueller wie kollektiver Schäden auf, wie sie von ver-schiedenen Forschungsgesellschaften und -gremien formuliert wurden (z. B. Deutsche Forschungsgemeinschaft (2019), Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (2017)).
Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (2020) geht hierbei noch einen Schritt weiter und schreibt in Bezug auf Selbstreflexion und Beteiligung etwa Folgendes fest:

Die Selbstreflexion im Hinblick auf die eigene Rolle in der Forschung, eigene Interessen, mögliche Befangenheiten und Abhängigkeiten ist eben-so ein wesentlicher Bestandteil wissenschaftlicher Praxis wie der Austausch mit Kolleg*innen über Herangehensweisen, Erkenntnisse, forschungspraktische und -ethische Fragen und Dilemmata. (2.)
Forschung der Sozialen Arbeit soll Forschungsteilnehmer*innen nach Möglichkeit und in jeweils angemessener Weise an Forschungsprozessen beteiligen und Grenzen der Beteiligung sorgfältig reflektieren. (3.2)
Fabio Guerrero

Die Selbstreflexion im Hinblick auf die eigene Rolle in der Forschung, eigene Interessen, mögliche Befangenheiten und Abhängigkeiten ist eben-so ein wesentlicher Bestandteil wissenschaftlicher Praxis wie der Austausch mit Kolleg*innen über Herangehensweisen, Erkenntnisse, forschungspraktische und -ethische Fragen und Dilemmata. (2.)
Forschung der Sozialen Arbeit soll Forschungsteilnehmer*innen nach Möglichkeit und in jeweils angemessener Weise an Forschungsprozessen beteiligen und Grenzen der Beteiligung sorgfältig reflektieren. (3.2)
Beispiel: Partizipative Forschung
Ein Begriff von Solidarität, der eine Selbstreflexivität und die Beziehungen der Forschenden nicht nur zum ‚Forschungsobjekt‘, sondern auch zu weiteren, indirekt involvierten Kollektiven einschließt und voraussetzt, schlägt einen Bogen zu diesen forschungsethischen Leitlinien und auch zu den eingangs angeführten Strategien und method(olog)ischen Vorgehensweisen in der herrschaftskritischen Forschung.
Während eine solidarische Forschung in diverse Forschungsdesigns method(olog)isch übersetzt werden kann – ob quantitative Erhebungen, qualitative Interview- oder Diskursforschung – möchte ich einen Ansatz beispielhaft herausheben: Bei der partizipativen oder auch partizipatorischen, aktivistischen Forschung stehen jenes kritisch-reflexive Moment, das eigene Forschungshandeln und die Beziehung der involvierten Forschungsakteur:innen bereits im Zentrum.
Dieser „Forschungsstil“ (Bergold und Thomas 2012: Abs. 2) fasst ein breites Spektrum von Strategien zusammen, wie etwa action research, community-based participatory research oder participatory action research (PAR). Sie alle eint eine generelle Gesellschaftskritik sowie das Streben danach, mit der eigenen Forschung und Wissensproduktion soziale Wirklichkeit zu verändern.7, 8 Die Autor:innen Carstensen et al. (2014) weisen auf zwei voneinander abhängige Ebenen hin, auf denen partizipative, aktivistische Forschung wirkt: „Auf der epistemischen Ebene gilt es, machtvolle Repräsentationen zu hinterfragen, etwa wenn hochqualifizierte Akademiker*innen universalisierende und homogenisierende Deutungshoheit über Kategorien in Anspruch nehmen und so bestimmte partikulare Sichtweisen hegemonialisieren. Auf der interpersonellen Ebene müssen die Bedingungen reflektiert werden, unter denen Forschende und Forschungssubjekte interagieren.“ (258, Hervorh. i. O.)
Partizipative Forschung rückt die Mitwirkung der beforschten Subjekte ins Zentrum, die idealerweise in allen Forschungsphasen entscheiden und mitforschen.8, 19 Action research betont dagegen die direkte und konkrete Interaktion bzw. Intervention der Forschung in Praxis und soziale Verhältnisse.7, 8 Ein partizipatorischer, aktivistischer Forschungsstil resultiert folglich aus den Auseinandersetzungen mit den hier problematisierten Einbindungen von Forschung und ‚übt‘ eine solidarische Forschungsstrategie, die Ungleichheitsverhältnisse zu konfrontieren und analytisch einzubinden. Solidarisch Forschen heißt, die eigenen Verstrickungen und Beziehungen zu den involvierten Subjekten und weiteren Kollektiven anzuerkennen und den Forschungsprozess bereits beim, bzw. vor dem Abstecken des Erkenntnisinteresses und der Fragestellung auf die Bedingungen hin zu befragen, wie sie in der obigen Annäherung an einen Begriff von Solidarität formuliert wurden:
Solidarität als Ausgangspunkt motiviert die Untersuchung von (migrationsgesellschaftlichen) Zusammenhängen, in denen beispielsweise Formen postkommunitärer Solidarität möglich sind und gefördert werden, untersucht Bedingungen dieser Formen, fragt nach den Ermöglichungsbedingungen eines Engagements für soziale Verhältnisse, für die der Beziehungstyp Solidarität kennzeichnend ist, fragt nach den Bedingungen der Entstehung und den Möglichkeiten der Veränderung solcher Verhältnisse, in denen sich die mir je fremden und vertrauten sozialen Kooperationspartner_innen nicht entfalten und entwickeln können.

(Mecheril 2014: 90)Solidarität als Ausgangspunkt motiviert die Untersuchung von (migrationsgesellschaftlichen) Zusammenhängen, in denen beispielsweise Formen postkommunitärer Solidarität möglich sind und gefördert werden, untersucht Bedingungen dieser Formen, fragt nach den Ermöglichungsbedingungen eines Engagements für soziale Verhältnisse, für die der Beziehungstyp Solidarität kennzeichnend ist, fragt nach den Bedingungen der Entstehung und den Möglichkeiten der Veränderung solcher Verhältnisse, in denen sich die mir je fremden und vertrauten sozialen Kooperationspartner_innen nicht entfalten und entwickeln können.

Autorin:
Miriam Bach
Quellen
- Der Band ‚InterdepenDenken‘ des AK ForschungsHandeln (2015) versammelt hierzu beispielswiese eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Strategien.
- U.a. Castro Varela 2018; Gahleitner et al. 2021.
- In einem weiteren Schritt wäre es spannend und wichtig, die hier formulierten Gedanken auch auf den Bereich der Naturwissenschaften zu erweitern.
- Karakayali, S. (2013): Kosmopolitische Solidarität. APuZ. Aus Politik und Zeitgeschichte, 63 (13-14), S. 21–26.
- Garbe, S. (2022) Weaving Solidarity. Decolonial Perspectives on Transnational Advocacy of and with the Mapuche. Bielefeld: transcript.
- Mecheril, P. (2014) Postkommunitäre Solidarität als Motiv kritischer (Migrations-)Forschung. In: Broden, A. & Mecheril, P. (Hrsg.), Solidarität in der Migrationsgesellschaft. Befragung einer normativen Grundlage. Bielefeld: transcript, S. 73–92.
- Carstensen, A. L., Heimeshoff, L.-M., Jungehülsing, J., Kirchhoff, M. & Trzeciak, M. (kritnet-Gruppe Kassel) (2014) Forschende Aktivist_innen und aktivistische Forscher_innen: eine Hinleitung. In: Heimeshoff, L.-M., Hess, S., Kron, S., Schwenken, H. & Trzeciak, M. (Hrsg.), Grenzre-gime II. Migration, Kontrolle, Wissen. Transnationale Perspektiven. Berlin/Hamburg: Assoziation A, S. 257–268.
- Prasad, N. (2020) (Feministische) partizipatorische Aktionsforschung. In: Brenssell, A. & Lutz-Kluge, A. (Hrsg.), Partizipative Forschung und Gender. Emanzipatorische Forschungsansätze weiterdenken. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich, S. 19–33.
- Insofern hier abgebildete historische politische und gesellschaftliche Kontexte Frauen* im öffentlichen Raum weit-gehend marginalisierten, verwende ich ausschließlich die maskuline Wortform.
- Bayertz, K. (1998) Begriff und Problem der Solidarität. In: Bayertz, K. (Hrsg.), Solidarität. Begriff und Problem. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 11–53.
- Sangiovanni, A. (2015) Solidarity as Joint Action. Journal of Applied Philosophy, 32 (4), S. 340–359.
- Mit der Verwendung der kapitalen Schreibweise von „Schwarz“ und dem Kursivsetzen von „weiß“ möchte ich einerseits auf den sozialen Konstruktcharakter und die damit verbundenen Positionen in den bestehenden Herrschaftsverhältnissen hinweisen und andererseits die Kategorie weiß „von der Bedeutungsebene des Schwarzen Widerstandspotenzials, das von Schwarzen und People of Color dieser Kategorie eingeschrieben worden ist, [abgrenzen]“ (Eggers et al. 2009: 13). Damit schließe ich an die (Selbst-)Benennungspraxis von Aktivist:innen und der kritischen Weißseinsforschung an (vgl. Sow 2015).
- Kastner, J. & Susemichel, L. (2021) Einleitung. In: Kastner, J. & Susemichel, L. (Hrsg.) Unbedingte Solidarität. Münster: UNRAST, S. 10–19.
- Brunkhorst, H. (1997) Solidarität unter Fremden. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.
- Garbe (2022) bietet hierzu eine vielfältige wie umfassende Auflistung und Besprechung an:
Authors like Sara Ahmed, Linda Alcoff, George Yancy, Gada Mahrouse, and Keeanga-Yamahtta Taylor in critical race studies; Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Ulrike Hamann, Serhat Karakayalı, Daniel Bendix, Kwesi Aikins, and Rosine Kelz in critical migration studies; as well as Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Clare Land, bell hooks, Nira Yuval-Davis, Chandra Talpade Mohanty, Enrique Dussel, and Glen Sean Coulthard in decolonial and feminist studies—explicitly or not—contribute to finding moral, social, and political grounds for relations of solidarity across and beyond differences. (43). - Der Begriff ‚Globaler Süden‘ bezeichnet ebenso wie sein Gegenüber, der ‚Globale Norden‘, nicht die geografische Lage einer Gesellschaft, eines Landes oder einer Region, sondern versucht zu zeigen, dass es sich hier auch um soziale, politische, ökonomische wie auch wissenschaftliche Benachteiligungen bzw. Privilegierungen in einer globalen, postkolonialen Ordnung handelt. Gelichzeitig kann auch dieses Begriffspaar nicht verhindern, dass es wieder und immer noch zu Verallgemeinerungen, Homogenisierungen und auch zur gleichen Festschreibung von Hierarchien kommt (für eine Einführung in die Begriffsdiskussion z.B. Hollington, Salverda, Schwarz & Tappe, 2015).
- Mohanty, C. T. (2003a) Feminism without Borders. Decolonizing Theory, Practicing Solidarity. Durham/London: Duke University Press.
- Mohanty, C. T. (2003b) „Under Western Eyes“ Revisited: Feminist Solidarity through Anticapitalist Struggles. In: Mohanty, C. T., Feminism without Borders. Decolonizing Theory, Practicing Solidarity. Durham/London: Duke University Press, S. 221–251.
- von Unger, H. (2014) Partizipative Forschung. Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS.
- Kelz, R. (2015) Political Theory and Migration. Concepts of non-sovereignty and solidarity. movements. Journal für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung, 1 (2). https://movements-journal.org/issues/02.kaempfe/03.kelz–political-theory-migration-non-sovereignty-solidarity.pdf. Zugegriffen: 23.03.2022.
- Jared, H. (2021) Recovering the Anticolonial Roots of Solidarity. SCRIPTS Working Paper No. 11. Berlin: Cluster of Excellence 2055 „Contesta-tions of the Liberal Script – SCRIPTS”. https://www.scripts-berlin.eu/publications/working-paper-series/Working-Paper-11-2021/SCRIPTS_Working_Paper_11_WEB.pdf. Zugegriffen: 23.03.2022.
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